Madagaskar - Land der Zukunft oder der Anfang vom Ende einer neuen Ära?

Zweifel an der Loyalität von Beamten auch in den Auslandsvertretungen

Forum Madagaskar 25.05.2005

Nach dem Regierungswechsel hofften viele politisch denkende Bürger in Madagaskar, dass in der Ministerial- und Verwaltungsbürokratie bestimmte Umbesetzungen vorgenommen würden, um durch neue Stellenbesetzungen eine andere Einstellung des Staatsapparats auf die Demokratisierungs- und Reformvorhaben Ravalomananas zu ermöglichen. Ein Staatschef benötigt, wenn er seine „neue“ Politik durchsetzen will, Mitarbeiter, die sich auf ihn einstellen, die sein Vertrauen besitzen, die seine Politik unterstützen. Wo das nicht anerkannt wird, gehen Regierung und Staatsverwaltung - nicht zuletzt wegen der Fülle von Ermessensfragen, die der Beamte entscheidet - verschiedene Wege.

In Madagaskar und dessen Auslandsvertretungen sind noch große Anstrengungen vonnöten, um nicht an einer Bürokratie zu scheitern, deren traditionelles Interesse an unkontrollierter Machtausübung allen Reformabsichten widerspricht. Keine Regierung, die für Reformwerke im Bereich der Innen- und Wirtschaftspolitik eintritt, kann ihre Ziele realisieren, ohne die Verwaltungsbürokratie, auf deren Ebene die Politik durchgesetzt werden soll, zu reformieren.

Ravalomanana war gezwungen, mit der Regierungsverantwortung ein belastendes Erbe zu übernehmen: nämlich das kaum überschaubare Heer von Beamten und Angestellten, die den Reformzielen der Regierung widerstreben. "Ewig Gestrige", die heute wie gestern der Ära Ratsiraka verhaftet sind und deren Gesinnung gleich geblieben ist, bilden einen Anachronismus, der immer wieder Ressentiments gegenüber jeder Reform der staatlichen Organisation erzeugt.

Ein politische Dilemma: Zahlreiche Bürokraten sehen eine von Ravalomanana angestrebte Politik der Öffnung zur Internationalen Gemeinschaft nur als Zwischenspiel an und versuchen in der (nicht ganz unberechtigten?) Annahme, sie seien die eigentlichen Machtträger, den demokratischen Regierungswechsel von 2002 zu unterlaufen. Ravalomanana scheint dort bestenfalls Toleranz erwarten zu dürfen, was möglicherweise schon den Tod des einen oder anderen Reformprojekts bedeutet. Es besteht sogar der berechtigte Verdacht, dass sich in den verschiedenen Verwaltungsebenen eine mehr oder weniger organisierte kontraproduktive Gruppe gebildet hat, die bemüht ist, sich für grundsätzliche politische Auseinandersetzungen zu rüsten. Diese Gruppe lebt in der Hoffnung, dass sich der politische Uhrzeiger zurückdrehen lässt und richtet ihre Verwaltungstätigkeit danach.

Immer mehr wird offenbar, dass es der Regierung Sylla nicht gelingen will, die Beamten in ihrer Mehrzahl zur Loyalität zu bewegen, was bedeutet, dass Kabinettsentscheidungen und die Arbeit der Minister auf dem Weg durch die Amtsstuben und Kompetenzmühlen der Bürokratie verzögert und oftmals blockiert werden. Eine „Macht innerhalb der Macht“ bei der Durchsetzung der Politik Ravalomananas ist nicht zu übersehen.

Diese „Macht innerhalb der Macht“ könnte der Anfang vom Ende der Ära Ravalomanana sein. Denn Beamte und verantwortliche Mitarbeiter, die als politische "Vorarbeiter" auch das Material für die Entscheidungen ihrer Minister zusammenstellen und damit diese Entscheidungen wesentlich mitbestimmen, repräsentieren eine "Schattenmacht", die sich zu einem Teil auch aus Kräften der durch Korruption und Staatsausbeutung bestimmten Ära Ratsiraka rekrutiert.

Zwischen den interessanten Angeboten und Versprechungen der politischen und wirtschaftlichen Führungskräfte und der Realität bei der Inangriffnahme oder Durchführung eines Investitionsprojektes entscheiden jedoch immer noch teilweise inkompetente und oft uninteressierte Beamte in Auslandsvertretungen und lokalen Behörden, die die Anstrengungen der Regierung durch ihre destruktive Arbeitsweise zunichte machen.

Gewaltige Anstrengungen unternimmt man um Investoren und devisenbringende Touristen für Madagaskar zu gewinnen. Der Tourismusminister, ein ehemaliger Staatspräsident und Sonderbotschafter Ravalomananas, das Bayerische Wirtschaftsministerium, hochrangige Politiker, Vertreter der Weltbank und leitende Industrie- Wirtschaftsführer aus Madagaskar und Deutschland warben zum Beispiel auf dem Madagaskar-Wirtschaftstag 2005 in München um Vertrauen in die neue Politik Ravalomananas. Ansporn für Investitionen und Werbung für Touristen waren die Hauptthemen.

Jedoch nicht nur in Madagaskar selbst, sondern auch in Auslandsvertretungen sind destruktive Verhaltensweisen keine Einzelfälle. Hier vorliegende Informationen lassen berechtigte Zweifel an der Loyalität und der verantwortungsbewussten Mitarbeit von – zumindest einzelnen – Botschaftsangehörigen in Brüssel und Falkensee/Berlin aufkommen, die den Reformkurs der madagassischen Regierung zu blockieren, wenn nicht sogar zu sabotieren versuchen. Wie anders lässt es sich erklären, dass Anträge von Investoren verschleppt werden, Unterlagen und Akten zurückgehalten werden oder verschwinden, Anfragen per Email und sogar per Einschreiben einfach ignoriert werden oder am Telefon viel versprechende jedoch falsche Auskünfte erteilt werden? Nicht nur ist solch ein Verhalten illoyal gegenüber der eigenen Regierung, es ist auch eine „Ohrfeige“ für die hauptsächlich privaten Personen, die durch ihre ehrenamtliche Arbeit mit der Organisation eines solchen Wirtschaftstages wie in München einen Erfolg ihrer Bemühungen in Frage stellen müssen.

Es ist noch ein langer Weg in ein Neues Madagaskar. Die Politik und der starke Durchsetzungswille Ravalomananas und der Regierung sowie die internationale Unterstützung lassen auf eine gute Zukunft hoffen. Jedoch nur mit loyalen und kompetenten Beamten im In- und Ausland, sonst kann es leicht zum Anfang vom Ende werden.

Vinzenz Spaniol, Forum Madagascar

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