POLITISCHE
UND WIRTSCHAFTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR EINE NACHHALTIGE UND RASCHE
ENTWICKLUNG.
Begrüßungsrede
von Norbert Lala Ratsirahonana (siehe
Anmerkung)
Sonderbotschafter des madagassischen Präsidenten Marc Ravalomanana
Norbert
Lala Ratsirahonana - Foto © 2005 Vinzenz Spaniol
Eine
traurige aber leider wahre Realität ist von vornherein festzustellen
: Madagaskar ist eines der ärmsten Länder der Welt.
Die große
Insel ist ärmer geworden in den letzten zwei Jahrzehnten. Etwa 69,
6% der Madagassen und 75 % der ländlichen Bevölkerung leben
unter der Armutsschwelle. Das Bruttosozialprodukt beträgt 290 US
Dollars / Einwohner, d.h. weniger als 1 Dollar / Tag.
Wegen
dieser alarmierenden Armut haben die madagassischen Behörden und
die 16 Millionen Madagassen als politisch-wirtschaftliches Ziel bestimmt
: Eine Entwicklung, die nicht nur nachhaltig sondern auch schnell ist,
um diese Armutsrate innerhalb von zehn Jahren um die Hälfte zusammenschrumpfen
lassen. Um dieses Ziel zu erreichen wurde im März 2003 ein Strategiedokument
bearbeitet, wobei nicht nur die Mitglieder der öffentlichen Anstalten
sondern auch Vertreter des privaten Sektors, der zivilen Gesellschaft
und der politischen Kräfte aller Tendenzen teilgenommen haben. Die
Weltbank und das Internationale Währungsfonds haben das Dokument
genehmigt und dadurch konnte Madagaskar den Vollendungzustand / Abschlusszustand
im Rahmen der Initiative für stark verschuldete Länder erreichen.
In Zusammenhang damit wurde die Auslandsschuld Madagaskars von den Mitgliederstaaten
des „Club de Paris „ entweder gestrichen oder verringert.
Madagaskar gehört nun zu den 16 begünstigten Ländern, die
aus dem von den U.S.A. bewilligten Millenium Challenge Account Vorteil
ziehen. Im Rahmen einer gegenseitigen fruchtbaren Partnerschaft sind alle
ausländische Freunde Madagaskars eingeladen, um die Anstrengungen
des Volkes bei der Realisierung der Entwicklungsprojekte zu unterstützen.
Mir scheint
es legitim zu sein, dass jeder zukünftige Unternehmer sich die Frage
stellt, warum in Madagaskar investieren.
Ich werde mich auf eine globale Antwort beschränken :
einerseits
hinsichtlich der heutigen politischen Lage in Madagaskar
andererseits hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage für eine nachhaltige
und rasche Entwicklung.
Die nächsten
Redner werden mehr Details über einige spezifische Aspekte oder Teilbereiche
angeben.
Ist
eine nachhaltige und rasche Entwicklung in der jetzigen politischen Lage
möglich?
Die politische
Lage ist ein entscheidender Bestandteil, damit günstige Entwicklungsrahmenbedingungen
bestehen.
Eine solche Zielsetzung ist nämlich in einem unruhigen und unsicheren
politischen Umfeld schwer zu erreichen
In
Madagaskar ist die politische Lage durch drei Merkmale gekennzeichnet
:
1
- Stabilität :
Nach der Krise im 2002 herrscht in Madagaskar ein normales ruhiges politisches
Klima wieder.
Diese Stabilität lässt sich dadurch erklären, dass seit
den letzten Wahlen repräsentiert die Präsidentenpartei die Mehrheit
in der Nationalversammlung, die einzige Kammer, die die Zuständigkeit
hat, die Regierung zu stürzen. Daher konnten die von der Regierung
vorgelegten und dem Wirtschaftswachstum entsprechend Gesetzentwürfe
ohne Schwierigkeiten angenommen werden, trotz ihrem bisweilen unbeliebten
Charakter.
2
- Demokratie :
Madagaskar erfüllt die welterkannten Bedingungen eines demokratischen
Regimes.
So ist der politische Pluralismus eine Tatsache, d.h. es besteht eine
Vielzahl politischer Parteien (mehr als 150); Wahlen finden nach ordentlichem
Ablauffrist statt. Menschenrechte werden bekannt gemacht und gesetz- und
grundgesetzmäßig unter Kontrolle mehrerer NGOs gewährleistet.
Ein Nationalausschuss der Menschenrechte wird damit beauftragt die Rechte
zu fördern und zu schützen. Betreffend der Pressefreiheit, ist
Madagaskar, meines Wissens, das afrikanische Land, wo es die meisten privaten
Fernseh-, Funksender und Zeitungen gibt. Es ist darauf zurückzuführen,
dass Madagaskar keine Pressezensur übt.
Bemerkenswert
ist auch die partizipative Demokratie, ein anderes Aspekt der Demokratie.
Am 1. Juni 2004 wurde ein Gesetz beschlossen, um Regionen bzw. hauptsächlich
wirtschaftliche und soziale öffentliche Gebietskörperschaften
zu gründen.
Gebietskörperschaften sind auf 3 Ebenen zu finden: 6 autonome Provinzen,
22 Regionen und 1560 Gemeinden. Regionen werden frei von gewählten
regionalen Berater verwaltet ; der Regionsvorsitzende, Leiter des regionalen
Vollzugsorgans, ist auch gewählt. Vorübergehend wurden die Regionsvorsitzenden
von dem Staatspräsidenten beim Ministerrat ernannt ; regionale Ausschüsse,
die aus Abgeordneten, Vertretern der Bürgermeister und der Zivilgesellschaft
bestehen, üben zur Zeit vorläufig die Aufgaben der regionalen
Berater aus.
Erlauben
Sie mir der Friedrich Ebert Stiftung, für ihre Tätigkeiten hinsichtlich
der Verstärkung der Demokratie in Madagaskar zu danken.
3
- Gründung des Rechtsstaats und Durchführung des guten Gouverneurs-
amt .
Die Gründung
des Rechtsstaates, kraft dessen die Regierenden und die Regierten den
selben rechtlichen Vorschriften unter Kontrolle eines unabhängigen
Gerichtswesens gebunden sind, wurde in dem Präambel des Grundgesetzes
als eine der erforderlichen Bedingungen für eine integrierte, einträchtige
und nachhaltige Entwicklung.
Die heutigen madagassischen Behörde geben allerdings zu erkennen,
dass sie gewillt sind, die Verstärkung dieses Rechtsstaates zu gewährleisten
und die rechtlichen Vorschriften des guten Gouverneursamts anzuwenden.
Folgendes
sind drei in diesem Bereich durchgeführte Tätigkeiten:
Erstens
der Kampf gegen Bestechung : ein Oberregierungsrat für
den Kampf gegen Bestechung wurde 2003 errichtet. Er wurde damit beauftragt,
eine Nationalstrategie des Kampfes gegen Bestechung zu entwickeln, an
der Vorbereitung einer geeignete Gesetzgebung teilzunehmen, Texte mit
Bezug auf die Gründung einer Antibestechungsagentur zu bearbeiten,
und die Wirkung und die Ergebnisse des Antibestechungsprogramms zu befolgen.
Einige Monate nach ihrer Gründung hat der Oberregierungsrat für
den Kampf gegen Bestechung diese drei folgenden Aufgaben erfüllt
: ein Gesetzentwurf über Antibestechung wurde der Aufnahme der Nationalversammlung
und dem Senat vorgelegt; ein unabhängiges Antibestechungsbüro
wurde gegründet, das zur Zeit betriebsfähig ist. Das Gesetz
trifft Vorsichtsmassnahmen gegen Bestechungsschuldige. Hohe Persönlichkeiten
und Verwaltungsbehörde müssen eine Vermögenserklärung
vorlegen.
Zweitens
die Errichtung von Verwaltungs- und Finanzgerichten in den sechs Provinzhauptstädten.
Sie sind damit beauftragt, eine Gerichtskontrolle gegen jede durch die
Verwaltung begangene Gesetzwidrigkeit und gegen begangene Regierensverletzungen
durch dezentralisierte Gebietskörperschaften auszuüben. Bei
der Hauptverwaltung wird diese Kontrolle durch die Verwaltungskammer und
die Rechnungskammer der obersten Gerichtshof ausgeübt.
Drittens
ein Berufungsanspruch wurde den Investoren und den Geschäftsleuten
auf einen Schiedsspruch anstatt des Staatsgerichtes bei Konflikten, Rechtsstreiten
genehmigt. Das folgt einerseits aus dem Beitritt Madagaskars dem Weltbankabkommen
über die Beilegung eines Streitfalls mit Bezug auf Investitionen
zwischen dem Staat und anderen Staatsangehörigen (Washington, 18.
März 1965) und andererseits aus der 1998 Gesetzverabschiedung über
den Schiedsspruch. Nach dieser Verabschiedung wurde ein örtliches
Schiedsspruchs- und Vermittlungszentrum gegründet.
Ist
die wirtschaftliche Lage für eine nachhaltige Entwicklung günstig?
Madagaskar
war immer als ein Land mit großem Wirtschaftspotential vorgestellt.
Dieses Potential sollte aber bewirtschaftet werden, um ein wirtschaftliches
Wachstum zu sichern. In dieser Hinsicht haben die madagassischen Behörden
Entscheidungen getroffen, um ein Umfeld zugunsten der Investition und
der Entwicklung des privaten Sektors zu schaffen.
A
- Die sozial – wirtschaftlichen Grundrichtungen
Die sozial-wirtschaftlichen
Leitrichtungen wurden im Jahre 1996 bestimmt. Das war das Jahr der Wiederlebung
der Beziehungen Madagaskars mit den Bretton Woods Institutionen. Seitdem
haben alle Regierungen diese Grundrichtungen behalten. Sie sind zweierlei:
- Von
nun ab lebt Madagaskar unter freiem Marktwirtschaftssystem
:
Kennzeichen dieses System sind die Umsetzung eines sozial-wirtschaftlichen
Umfeld zugunsten der Privatwirtschaft , die Erfindung ausländischer
Investoren und das Zurücktreten des Staates vom Produktionsbereich.
Die Einführung freier Marktwirtschaft wird zu freier Preiswirtschaft
, Währungsaustauschbarkeit und Abschaffung der Einfuhrlizenz führen.
Hinzu haben die Behörden für eine Liberalisierungspolitik
der verschiedenen Wirtschaftsbereichen entschlossen :
- Monopolabschaffung in den Energie- Kohlwasserstoffe- Fernmeldetechnik-
und Flugverkehrsbereichen
- Privatisierung oder Setzen in Konzession der öffentlichen Betriebe
- Eingriffsmöglichkeit der Privatwirtschaft in die Infrastrukturen
und Produktionsbereichen.
- Öffnung
Madagaskars zur Welt :
Zu dieser Zeit der Globalisierung ist die Eröffnung zur Welt eine
grundsätzliche Wahl. Daher hat die heutige Regierung die Integration
der madagassischen Wirtschaft in die unter regionale, regionale und
Weltwirtschaft beschlossen. Seit langem ist Madagaskar Mitglied der
ACP, die mit der EU laut dem Abkommen von Cotonou verbunden ist. Sie
ist auch seit dem 31. Oktober 2000 Mitglied des Common Market for Eastern
and southern Africa (COMESA) und des Commission de l’ Océan
Indien. Sie hat die Charta des Indian ocean Rim association for regional
cooperation (IOR – ARC ) unterschrieben.
Sie wird unmittelbar die SADEC beitreten.
Außer dieser multilateralen Erweiterung hat Madagaskar auch entschlossen
ihre bilateralen Beziehungen durch wirtschaftlichen Abkommen und Investitionsschonung
vielfältiger zu gestalten.
B
- Umsetzungsmaßnahmen der Grundrichtungen
Besonders werden die getroffenen Maßnahmen in den folgenden Bereichen
behandelt : Investition, Entwicklung und Wiederaufstärkung der Privatwirtschaft.
- Im
Bereich der Investition :
Das Ziel ist die Förderung der privaten und insbesondere ausländischen
Investitionen.
Diese Maßnahmen ruhen auf folgende Prinzipien :
- Erhaltung der freien Handelszone ;
- Investitionsfreiheit : d.h. ohne Einwilligungsbedingungen und Ausnahmegenehmigung
außer den besonderen Fällen.
- Garantie der Kapitalsicherheit, der Investitionen und Transferfreiheit
der Kapitaleinlagen der Ausländer ;
- Einhaltungsgarantie der Individuums- und Gemeinschaftseigentumsrechte;
- Freier Firmenbetrieb und freie Personalverwaltung vorbehaltlich der
Immigrationsregelung.
Zwei spezifische Maßnahmen hinsichtlich der Erleichterung des
Ausländereintritts in Madagaskar und des Grundstückerwerbs
wurden auch getroffen.
Sicherheitsvorkehrungen für den Investitionsschutz wurden getroffen,
besonders durch Mitgliedschaft an der multilateralen Investitionsschutzagentur
(MIGA) oder der ATIA (African Trade Insurance Agency), um Investitionen
gegen politische Schadensfälle zu sichern.
- Im Bereich der
Entwicklung und der Wiederaufwertung des nationalen oder ausländischen
Privatsektors.
Es lässt gelten, dass der Privatsektor die treibende Kraft des
Wirtschaftswachstums ist:
Die Staatsaufgabe besteht darin, einen anreizenden und vertrauenerweckenden
Zusammenhang und geeignete Betriebsmittel zu schaffen. Madagaskar hat
ein Nationalunterstützungsprogramm des Privatsektors (PNSP). Die
madagassischen Behörde sind davon überzeugt, dass der Privatsektor
sich unter guter Mitwirkung von Partnerschaft staatlich - nicht öffentlich
entwickeln kann. Bemühungen wurden daher auf zwei Ebenen gemacht:
Madagaskar hat sich bemüht, das Geschäftumfeld und den institutionelle
Rahmen zu entwickeln. So wurde Umstrukturierung und Aufwertung der Konsulatskammern
(Industrie-, Landwirtschafts-, Handwerks- und Handelskammern) durchgeführt,
ein einziger Schalter für die Investitionen und Unternehmensentwicklung
wurde errichtet, um die Verwaltungsformalitäten bei einer Unternehmensgründung,
bei Investition und Unternehmensinbetriebnahme zu erleichtern; ein Staatsbetrieb
und Regionalbetriebe des Tourismus wurden gegründet.
Madagaskar hat sich auch bemüht, Ausfuhrhandel zu fördern.
In diesem Zusammenhang hat Madagaskar beschlossen, eine regionale und
internationale Integrationspolitik anzunehmen, um einen wichtigeren
und umfassenderen Marktzugang zu haben. Das COMESA umfasst z.B. etwa
380 Millionen Verbraucher.
Durch Mitgliedschaft an regionalen oder internationalen Abkommen kann
Madagaskar Vorteil aus einem generalisierten Vorzugssystem ziehen.
Zum
Schluss möchte ich mitteilen:
Seit
1996 sind die privaten Investitionen im Allgemeinen mit einer Wachstumsrate
von 5,3% im 1996, 6,5% im 1997 und 6,8% im 1998 zugenommen.
Dank dieser Investitionen wurden in Madagaskar positive Zuwachsraten festgestellt
: 3,7% im 1997, 4,6 % im 2001, - 12,7% Im Jahre 2002 (wegen der politischen
Krise, 9,8% im 2003, 6,7% im 2004. Es ist aber deutlich, dass dies zu
wenig ist, um die Madegassen aus der Armut zu führen.
Die Zielsetzungen
sind :
Die jährliche
Wachstumsrate von 8 bis 10% und die Investitionsrate mindestens um 20%
zu erhöhen, wobei 12% davon von der sowohl nationalen als auch ausländischen
Privatwirtschaft.
Wir fragen
uns :
- Entsprechen
die vorher beschriebenen Situationen Ihren Ansprüchen ?
- Sind
die von den madagassischen Behörden getroffenen Maßnahmen
Anreiz genug, um in Madagaskar zu investieren?
- Genügen
die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen für eine nachhaltige
und rasche Entwicklung, damit sie einer unserer Partner werden?
Falls
sie noch ungenügend sind, sind Ihre Vorschläge willkommen und
wir sind bereit sie zu berücksichtigen.
Wenn die Bedingungen aber ausreichen, dann sind wir davon überzeugt,
dass wenn sie irgendwo auf der Welt investieren möchten, werden Sie
sich natürlich für Madagaskar entscheiden.
Vielen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Anmerkung:
Norbert Lala RATSIRAHONANA war Premierminister Madagaskars vom 28.05.1996
- 21.02.1997 und vom 05.09.1996 - 09.02.1997 Staatspräsident, da
der amtierende Präsident Albert Zafy wegen wiederholter Verstöße
gegen die Verfassung und Überschreitung seiner Kompetenzen seines
Amtes enthoben wurde. RATSIRAHONANA bereitete die neue Präsidentenwahl
vor, bei der dann Ratsiraka gegen Zafy gewann - bei einer Wahlbeteiligung
von 49,7 %. Ratsiraka ließ sich dann seine Befugnisse nach französischem
Vorbild erweitern.
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